Die Wunder des Propheten Muhammad
Das Universum folgt den Gesetzen, die Gott festgelegt hat. Ohne diese Gesetze und ohne die konstante Beschaffenheit von Naturereignissen befände sich alles ständig im Fluss. In diesem Fall hätten wir Gottes Naturgesetze nicht entdecken und auch keine Fortschritte in der Wissenschaft erzielen können. Obwohl jüngste Entdeckungen in der Atomphysik zu Tage gebracht haben, dass alles, was existiert, sich in einer Welle ständiger Bewegung befindet, gelten an der Oberfläche die Prinzipien, die die klassische oder die Newton'sche Physik etabliert hat. Die Wissenschaftler mussten deshalb eingestehen, nicht mit letzter Gewissheit behaupten zu können, dass sich die Dinge eine Sekunde später noch im gleichen Zustand befinden wie zuvor.
Das Leben hat seine eigenen Gesetze, denen wir Folge leisten. Wir benötigen Lebensmittel und Wasser, mit denen wir unseren Hunger und Durst stillen können, und wir gehen zu einem Arzt, wenn wir krank sind. Wir benutzen Tiere, damit sie bestimmte Arbeiten für uns verrichten, aber wir können uns nicht mit ihnen unterhalten. Bäume bewegen sich nicht von der Stelle, und weder sie noch Steine oder Berge entbieten uns ihren Gruß. Wir handeln in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Anziehung und der Abstoßung, und wir versuchen nicht, den Himmel zu erobern, ohne zuvor Berechnungen auf der Grundlage dieser Gesetze vorgenommen zu haben.
All diese und weitere Gesetze mehr machen das Leben des Menschen erst möglich. Da Gott diese Gesetze erlassen hat, ist Er nicht an sie gebunden. Er kann jedes einzelne Gesetz außer Kraft setzen oder den eigentlichen Lauf der Dinge ändern, um einen Propheten das, was wir Wunder nennen, wirken zu lassen oder um zu zeigen, dass Er in der Lage ist, jederzeit was immer Er will zu tun. Das in der islamischen Literatur für Wunder verwendete arabische Wort lautet Mu'dschiza, was wörtlich übersetzt so viel heißt wie: das, was kein anderer tun kann. Wenn Gott einem rechtschaffenen Menschen erlaubt, ein solches Wunder hervorzubringen, dann spricht man von einer Karama (pl. Karamat), einem außergewöhnlichen Gunstbeweis. Gunstbeweise dieser Art sind weitere Belege für die Prophetenschaft Muhammads und für die Wahrheit des Islam.
Es gibt unzählige Karamat, die Gott besonders rechtschaffenen Muslimen gewährte: z.B. die Gabe, zukünftige Ereignisse vorauszusagen. Muhyi Ad-Din ibn Al-Arabi etwa schrieb bereits ca. 50 Jahre vor der Gründung des Osmanischen Reichs in seinem Werk Schadscharat an-Nu'maniya über die Osmanen und kündigte ihre Eroberung von Damaskus und Ägypten an. Außerdem sagte er voraus, dass Murad IV. gegen Bagdad marschieren und die Stadt nach einer Belagerungszeit von 41 Tagen einnehmen würde oder dass Sultan Abdülaziz daran sterben würde, dass man ihm die Pulsadern aufschnitt. Weiterhin schreibt er im selben Buch: "Wenn ‚S' in ‚Sch' eintritt, wird die Begräbnisstätte von Muhyi Ad-Din entdeckt werden." In dieser Buchstabenfolge steht ‚S' für Selim und ‚Sch' für Scham (arab.: Damaskus). Genauso wie seine anderen Voraussagen erfüllte sich auch diese; denn als der osmanische Sultan Selim I. Damaskus eroberte, entdeckte er die Begräbnisstätte Ibn al-Arabis und ordnete an, auf ihr ein Grabmal zu errichten.
Muschtaq Dada aus Bitlis, einer östlichen Provinz der Türkei, prophezeite schon 71 Jahre vor dem tatsächlichen Ereignis in einigen seiner Verse, dass nach vielen Kriegen und Erschütterungen Ankara einst die Hauptstadt der Türkei sein werde. Interessant ist auch, dass Muschtaq Dada den Namen desjenigen angibt, der die Hauptstadt von Istanbul nach Ankara verlegen würde. Wenn man jeweils die ersten Buchstaben seiner Verse verbindet, erhält man den Namen Kamal.
Gott, der Allmächtige, erlaubte all Seinen Propheten, Wunder zu vollbringen. Weil jedoch alle Propheten vor Muhammad zu einem bestimmten Volk gesandt worden waren und sich ihre Prophetenschaft auf eine bestimmte Zeit und auf ein bestimmtes Volk beschränkte, bezogen sich ihre Wunder auf Künste und handwerklich Fähigkeiten ihrer Zeit. Da zur Zeit Mose beispielsweise die Zauberei in Ägypten großes Ansehen genoss, sorgte Gott, der Allmächtige, dafür, dass sich sein Stab in eine Schlange verwandelte, die die Schlangen der Zauberer verschlang. Zu Lebzeiten Jesu stand die Heilkunst hoch im Kurs. Deshalb hatten die meisten seiner Wunder mit ihr zu tun. Die Wunder des Propheten Muhammad sind hingegen sehr vielseitig und mit nahezu allen Bereichen der Schöpfung verknüpft. Denn seine Prophetenschaft ist universell gültig, und er ist der letzte Prophet.
Wenn der Adjutant eines geachteten Herrschers eine Stadt betritt und verschiedene Geschenke vom Herrscher mitbringt, wird er von den Repräsentanten der einzelnen Volksgruppen, Berufsstände, Gesellschaften oder Verbände der Stadt willkommen geheißen. Als der oberste Gesandte des Ewigen Souveräns das Universum als ein Gesandter für die Erdbewohner beehrte und diesem das Licht der Wahrheit und spirituelle Geschenke, die sich auf die Wahrheiten des gesamten Universums beziehen, vom Schöpfer überbrachte, hieß ihn jede einzelne Einheit - von den anorganischen Elementen bis hin zu den Pflanzen, Tieren und Menschen, dem Mond, der Sonne und den Sternen - in der ihr eigenen Art und Weise und Sprache willkommen. So wurde jede einzelne Einheit zu einem Instrument einer Art Wunder.
Jedes Wort, jede Handlung und jeder Zustand des erhabenen Propheten zeugt von seiner Prophetenschaft und seinem festen Glauben; deshalb sind sie aber noch lange nicht alle als Wunder zu betrachten. Denn der Allmächtige sandte Muhammad ja in Gestalt eines Menschen, damit er die Menschen in all ihren individuellen und gemeinschaftlichen Belangen zur Glückseligkeit in beiden Welten führen konnte. Die Menschen sollten die Wunder der Kunst Gottes und das Wirken Seiner Macht sehen können. Denn Sein ganzes Wirken ist in der Tat ein Wunder, das uns allerdings oft allzu alltäglich erscheint.
Wenn alles, was der Prophet jemals getan hat, außergewöhnlich gewesen wäre, dann hätte er den Menschen kein Vorbild sein und sie nicht lehren und anleiten können. Gott erlaubte ihm jedoch, einige außerordentliche Taten zu vollbringen, um Ungläubigen seine Prophetenschaft zu beweisen; daher wirkte er gelegentlich auch Wunder. Dies geschah allerdings nie so, dass es die Menschen zum Glauben gezwungen hätte; denn sonst wäre der Zweck unseres Daseins - uns auf die Probe zu stellen und unseren freien Willen zu testen - außer Kraft gesetzt worden. Wenn Wunder den Menschen keine andere Wahl lassen würden, als zu glauben, und sie damit ihres freien Willens berauben würden, wären unsere ganze Existenz und der Sinn unseres Daseins hinfällig.
Die meisten der ca. 1.000 Wunder des Propheten Muhammad wurden zunächst von Gefährten, dann von zahlreichen verlässlichen Überlieferern und Autoritäten weitergegeben, bevor sie schließlich in authentischen Hadithsammlungen festgehalten wurden. Die übrigen Wunder wurden zwar nur von einem oder zwei Gefährten überliefert; doch auch sie müssen als unanfechtbar gelten, da sie später von allen vertrauenswürdigen Experten als wahr anerkannt und anhand von mindestens zwei Überliefererketten belegt wurden. Hinzu kommt, dass die Mehrzahl der Wunder in Gegenwart vieler Menschen (d.h., auf Feldzügen, bei Hochzeitsfeierlichkeiten oder anderen Festen) gewirkt wurde, wobei jeweils einer oder mehrere der Anwesenden über das Wunder berichteten und die anderen es bestätigten, indem sie schwiegen. Deshalb stehen die in den authentischen Hadithsammlungen aufgezeichneten Wunder nicht zur Diskussion und dürfen nicht als unrichtig bezeichnet werden.
- Erstellt am .