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„Pennsylvania und die Opposition stellen eine Gefahr für die Nationale Sicherheit der Türkei dar“

Die Türken wählen an diesem Sonntag einen neuen Staatspräsidenten. Entweder Erdoğan wird gewählt, oder Ekmeleddin İhsanoğlu. Mit anderen Worten: Die Wahl liegt zwischen dem Es und dem Über-Ich, zwischen niederen Instinkten oder einer respektablem Vernunft.



Die Wahl steht zwar noch bevor, aber sie scheinen sich ihrer Sache sicher zu sein: Das Türkische Bildungsministerium hat Schulbücher für das Schuljahr 2014/15 drucken lassen, in denen der aktuelle Staatspräsident schon gewählt ist: Recep Tayyip Erdoğan (2014 - …). Sie haben eine propagandistische Übermacht auf ihrer Seite, Umfragen geben keinen Anlass zur Sorge, vorsorglich hat man auch für den Fall der Fälle über 18 Millionen Wahlzettel zusätzlich drucken lassen. Die Wahlumschläge sind diesmal ohnehin durchsichtig. Was kann da schon schiefgehen?

Wahlversprechen Yeni Türkiye (Neue Türkei)



Es stimmt, das Wahlvolk hat noch nicht gesprochen. Trotzdem. Ein Wahlerfolg von Erdoğan gilt als sicher. Deshalb wäre es angebracht zu überlegen, wie es weitergehen sollte mit der türkischen Demokratie. Dies auch deshalb, da Erdoğan für den Fall seiner Wahl eine Neue Türkei (Yeni Türkiye) verspricht. Es stellt sich die Frage: Wie wird diese Neue Türkei aussehen? Wird die Türkei eine Demokratie bleiben? Wenn nicht: Was wird an ihre Stelle treten?

Dabei sind Aussagen von Erdoğan von zweifelhaftem Nutzen. Er spricht von fortgeschrittener Demokratie (ileri demokrasi), früher hat er aber auch die Demokratie als eine Straßenbahn bezeichnet, die man nutzt, um irgendwohin zu gelangen. Er legitimiert alles mit seinen Wahlerfolgen und dem Zuspruch des Wahlvolkes bei den Wahlen. In einem Fernsehinterview mit einem Haussender (Kanal 24) hat er aber auch die großen Oppositionsparteien als Gefahr für die Nationale Sicherheit (ulusal güvenlik tehdidi) bezeichnet.

Erdoğan: Opposition bedroht die Nationale Sicherheit



In dem besagten Interview behauptete Erdoğan: „Zur Zeit ist Pennsylvania ein Faktor, der unsere Nationale Sicherheit bedroht. Es hat hier bestimmte Mechanismen zur Verfügung. Einer davon ist die CHP. Auch die MHP gehört dazu.“ Mit Pennsylvania ist natürlich Fethullah Gülen gemeint, der dort seit 1999 lebt. In der Türkei ist der Name Pennsylvania zum Synonym für die Hizmet-Bewegung geworden, die sich auf Fethullah Gülen beruft. Aus dieser Aussage ist zu entnehmen:



Erdoğan zählt die größten Oppositionsparteien zu Faktoren der Nationalen Sicherheit. Es würde nicht überraschen, wenn er morgen der Opposition Hochverrat vorwerfen würde. Wie mit Verrätern umzugehen ist, überlassen wir der Fantasie eines jeden. Das besagte Interview geht aber weiter und Erdoğan beschuldigt auch den größten Rivalen im Wahlkampf, den gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten von CHP und MHP, Ekmeleddin İhsanoğlu, die Nationale Sicherheit zu gefährden.

Mit niederen Instinkten zum höchsten Staatsamt



Das sind keine rosigen Aussichten. Wie aber genau das Regime aussehen wird, muss man wohl abwarten, um genaueres zu sagen. Ich glaube aber eines kann man schon heute feststellen: Normalerweise sind Staatspräsidenten respektable Menschen. Sie vertreten den Staat, geben weise Dinge von sich und umarmen symbolisch die gesamte Bevölkerung. In ihnen kommt die positive Seite eines Volkes zum Vorschein. Sie werden respektiert, ihr Wort hat Gewicht. Im Falle der Wahl Erdoğans für das höchste Staatsamt wird es in der Türkei anders sein.



Das türkische Volk wird einen gewählt haben, der seine Schattenseiten, seine niederen Instinkte zum Ausdruck bringt. Für den Fall seiner Wahl wird ein Populist gewählt werden. Ein Populist, der mit riesigen Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist und der den Rechtstaat entmachtet hat, um sich, seine Familie und nähere Umgebung vor der Verfolgung der Justiz zu schützen. Bei seiner Wahl wird jemand gewählt werden, der nicht davor scheut, Konfessionszugehörigkeit als Wahlkampfmittel einzusetzen; der sich als Sunnit bezeichnet und den Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu dazu drängt, sich als Alevit zu bezeichnen – in der Hoffnung, ihn so zu diskreditieren.



„Sie haben mich als Armenier bezeichnet“



Bei seiner Wahl wird jemand gewählt sein, der Fethullah Gülen in Wahlkampfveranstaltungen als bloßen Grundschulabsolvent bezeichnet und durch seine Anhänger ausbuhen lässt. Er lässt aber auch seinen Mitbewerber und Diplomaten İhsanoğlu ausbuhen, der einen Professoren-Titel trägt. Seine Fremdsprachenkenntnisse in fünf Sprachen lässt Erdoğan, der selbst keine Fremdsprachen spricht, dadurch entkräften, indem er sagt: „Wir wählen für das höchste Staatsamt einen Staatsmann, keinen Dolmetscher.“



Erdoğan versteht aber auch etwas von Völkerverständigung, von Respekt vor dem anderen. Er versucht seine Gegner mit konfesioneller oder ethnischer Zugehörigkeit zu diskreditieren, wehrt sich aber entschieden gegen die Anwendung der gleichen Methoden gegen seine Person: „Man hat über mich gesagt, ich sei Georgier. Und entschuldigen Sie bitte, sie haben sogar noch hässlichere Worte gewählt. Sie haben gesagt, ich sei Armenier“. Armenier, Grieche, Jude. Das sind wohl Schimpfwörter für Erdoğan.

Es bleibt zu hoffen, dass das türkische Volk einen Kandidaten zum höchsten Amt des Staates wählt, das seine vornehmeren Seiten zur Schau stellt.

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