Die Eroberung Der Herzen
In einer Epoche, in der sich die Maßstäbe so vollständig verändert haben, ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Mensch nach seinem Reichtum, der Marke seines Autos und dem Aussehen seines Hauses beurteilt wird. Der Grund dafür liegt ganz einfach darin, dass materiellen und finanziellen Ressourcen oder Potenzialen ein höherer Wert beigemessen wird als menschlichen Tugenden wie Wissen, guter Moral, aufrichtigem Denken und Zuvorkommenheit. Zwar mag Reichtum ja durchaus von Wert sein, nämlich dann, wenn er im Dienste von Wissen, Verstand, Mut, Ehre und Hingabe an das Eintreten für andere steht. Sobald er aber um seiner selbst willen geschätzt wird oder, schlimmer noch, im Verbund mit Gier auftritt, wird er sehr schnell zu einem Instrument der Rücksichtslosigkeit.
Wenn die Mitglieder einer Gesellschaft ihr Leben auf die Befriedigung niederer Gelüste hin ausrichten und ihr Lebensziel darin besteht, um jeden Preis reich zu werden, anstatt ein ehrenhaftes, fleißiges und angemessenes Leben zu führen, wird diese Gesellschaft schon bald von selbstsüchtigen, dummen und gerissenen Leuten dominiert werden. Moralische Werte und menschliche Tugenden werden ebenso den Rückzug antreten wie jene Menschen, die Tüchtigkeit mit persönlicher Integrität zu verbinden wissen - jene also, von denen die Gesellschaft profitieren könnte!
Verglichen mit vergangenen Jahrhunderten sind die Menschen heutzutage sicherlich wohlhabender und erfreuen sich größerer Annehmlichkeiten und eines höheren Lebensstandards. Wahr ist aber auch, dass sie viel mehr als in früheren Zeiten in Gier, Verblendung, Sucht, Bedürfnisse und Fantasievorstellungen verstrickt sind. Je mehr sie ihr triebhaftes Verlangen befriedigen, desto mehr gieren sie danach, diesem Verlangen noch weiter nachzugeben. Je mehr sie trinken, desto durstiger werden sie; und je mehr sie essen, desto hungriger werden sie. Um ihre Habsucht zu stillen und immer mehr zu verdienen, beschäftigen sie sich mit schlimmen Spekulationsgeschäften, und um banalster Vorteile willen verkaufen sie ihre Seelen an den Teufel. So brechen sie jeden Tag ein bisschen mehr mit den wahren menschlichen Werten.
Der moderne Mensch, der sich verausgabt, um vergänglichen materiellen Gewinnen nachzujagen, zehrt sich immer mehr auf und verschleudert dabei all die edlen wahrhaft menschlichen Empfindungen, die in den Tiefen seiner Existenz verborgen liegen. Jene Unerschütterlichkeit, die dem Glauben entspringt, jene Großzügigkeit und Tiefe des Geistes, die aus dem Wissen um Gott resultiert, oder bestimmte Anzeichen von Liebe und spirituellen Freuden gehören nicht länger zu seinen Ressourcen. Denn alle Angelegenheiten wiegt er nur noch mit den Waagschalen materiellen Vorteils, unmittelbaren Wohlbefindens und der Sättigung seiner körperlichen Gelüste; er sinnt nur noch darüber nach, wie er seinen Profit mehren kann, was er kaufen und verkaufen will und wie und wo er sich vergnügen könnte. Wenn er nicht in der Lage ist, seine Begierden legal zu befriedigen, zögert er selten, auch zu illegalen Mitteln zu greifen - wie entwürdigend und erniedrigend sie auch sein mögen.
Um sich von der erstickenden Welt des Unglaubens und des Egoismus und vom hilflosen Hin- und Herpendeln zwischen falschen modernen Konzepten des Denkens, Handelns und Lebens zu befreien, sollte sich der Mensch darum bemühen, die wahren menschlichen Werte, die in den Tiefen seiner Existenz verborgen liegen, wieder zu entdecken. Um den Belastungen und Bedrängnissen in den psychologischen, spirituellen und intellektuellen Dimensionen des Privatlebens und darüber hinaus auch den Spannungen und Konflikten innerhalb der Gemeinschaften und zwischen ihnen zu entgehen, sollte er sich auf den Wert des Glaubens, der Liebe, der moralischen Werte, des metaphysischen Denkens und der spirituellen Ausbildung besinnen.
Zu glauben bedeutet zu wissen, was die Wahrheit ist, wodurch sie sich auszeichnet und dass sie wahrhaftig wahr ist; zu lieben wiederum bedeutet, dieses Wissen im Alltag in die Tat umzusetzen. Wer weder glaubt noch liebt, ist nicht mehr als eine physische Entität ohne wahres Leben - nicht mehr als ein mechanisch belebter Körper. Der Glaube ist eine sehr wichtige Quelle des Handelns. Er bietet uns die Möglichkeit, im Geist die ganze Schöpfung zu umarmen. Und die Liebe ist das unentbehrlichste Element wahren menschlichen Denkens, dessen transzendentale Dimension sie gleichzeitig darstellt. Daher sollten jene, die aufgebrochen sind, um auf den Fundamenten spiritueller und moralischer Werte die Welt einer glücklichen Zukunft zu errichten, zunächst zum Altar des Glaubens finden, bevor sie auf die Kanzel der Liebe steigen. Erst danach sollten sie allen anderen Menschen ihre Botschaft des Glaubens und der Liebe verkünden. Wenn sie ihre Ziele erreichen wollen, dürfen sie nicht vergessen, dass ihr Einfluss von ihrer Moral und Tugendhaftigkeit abhängt.
Die Moral ist die Essenz der Religion; sie bildet einen ganz wesentlichen Teil der Botschaft Gottes. Wenn es heldenhaft ist, tugendhaft zu sein und sich moralisch zu verhalten - und das ist es! -, dann sind die größten Helden die Propheten, gefolgt von jenen, die ihnen aufrichtig und ergeben folgen. Ein wahrer Muslim ist ein Mensch, der eine wirklich universelle und deshalb muslimische Moral praktiziert. Jeder, der Verstand und Einsicht besitzt, kann erkennen, dass der Koran und die Sunna - der Weg oder das Beispiel des Propheten - Sammlungen moralischer Prinzipien darstellen. Der Prophet, die bedeutendste Verkörperung der Moral, sagte einmal: Der Islam besteht aus guter Moral; ich bin gesandt worden, um die guten Sitten zu vervollkommnen und zu vervollständigen. Die muslimische Gemeinschaft war stets der Repräsentant guter Moral, und das musste sie auch sein, da diese Gemeinschaft ja nur über Moral und Tugendhaftigkeit Ewigkeit erlangen kann. Der höchste Rang der Moral lässt sich mit Hilfe der islamischen Metaphysik erreichen.
Unter metaphysischem Denken ist die Anstrengung des Verstandes zu verstehen, die Schöpfung als Ganzes zu erfassen und sie in all ihren sichtbaren und unsichtbaren Dimensionen zu begreifen. Ohne diese Anstrengung von Verstand oder Geist zerfällt alles in leblose Bruchstücke. Ein Mangel an metaphysischem Denken führt daher zum Tod des Verstandes. Alle bedeutenden Zivilisationen haben sich entwickelt und sind ins Leben getreten, weil sie sich in die Arme metaphysischen Denkens begeben haben. Metaphysisch zu denken bedeutet, dass der menschliche Verstand oder Geist versucht, die gesamte Schöpfung wahrzunehmen und ihr Inneres wie auch ihr Äußeres zu verstehen. Wer Metaphysik und Physik (und andere Wissenschaften) als einander widersprechende Disziplinen betrachtet, versäumt es zu registrieren, dass er quasi behauptet, Flüsse und ihre Quellen seien einander entgegengesetzt.
Eine andere Dimension der Metaphysik stellt die Wahrnehmung der Schöpfung durch die Liebe dar. Liebe bedeutet in diesem Zusammenhang, das ganze Universum mit allem, was in ihm geschieht, als ein beständiges miteinander in Verbindung stehendes Fließen zu erkennen und als solches zu lieben. Diejenigen, denen es gelungen ist, diese wahre Liebe aufzuspüren, jagen weder Reichtum noch Ruhm nach; vielmehr finden sie ihren Frieden in den Flammen ihrer Liebe und entdecken das Gesicht ihres Geliebten in der Asche ihrer eigenen „verbrannten Existenz. Mit anderen Worten: Sie befinden sich auf einer unaufhaltsamen Reise aus den Tälern der „Selbstauflösung in der Existenz Gottes" hin zu den Höhen der „Verwirklichung der Beständigkeit durch die Beständigkeit Gottes". Diese Verwirklichung kann durch hartes spirituelles Training bewerkstelligt werden.
Spirituelles Training führt den Menschen zum Zweck seiner Erschaffung. Das Bewusstsein um den letztgültigen Zweck seiner irdischen Existenz kann ihn von körperlichen Belastungen befreien und ihm dabei helfen, eine Reise in sein ureigenstes Wesen anzutreten.
Es liegt an uns, die Vorstellungen des modernen Menschen zu ändern und sein Streben in andere Bahnen zu lenken. Denn dieser moderne Mensch hat seine spirituelle Dynamik verloren; er hat mit seiner primären Identität gebrochen und ist so zum Opfer seiner selbst geworden. Wir haben die Hoffnung, dass uns Gott, der Allmächtige, Seine Unterstützung nicht verweigern wird, dass Er uns bei diesem segensreichen Unternehmen zum Erfolg führen wird, sofern wir nur unseren Willen stärken, ihn im regelmäßigen Gebet läutern und ihn durch ständige Selbstkritik zähmen. Unsere Aufgabe besteht darin, heute und jetzt das Saatgut für eine glanzvollere Welt der Zukunft auszusäen, und Gott Selbst überlassen wir es, jedes einzelne Samenkorn zu einem fruchtbaren Baum heranwachsen zu lassen, wenn Er es denn so will.
Ich bin voll und ganz davon überzeugt, dass als Ergebnis bewusster Anstrengungen diese verdorbene Welt einer neuen Welt Platz machen wird, in der der Glaube und der Dienst an Gott den Wohlgeruch des Friedens, der Sicherheit und der Liebe in alle Teile der Welt tragen werden. Weiterhin bin ich mir absolut sicher, dass zukünftige Generationen die Extase überbordender Liebe in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen werden und von dieser Liebe weit mehr als von allem Streben nach Geld, Ruhm oder Posten profitieren werden. Diese Liebe wird erobernden Herzen entspringen und dafür mit der Herrschaft über die Herzen belohnt werden."
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