Ich verberge die Sehnsucht nach der Türkei in meiner Brust
Ich habe große Sorge. Unabhängig davon, wann oder wie ich in die Türkei zurückkehre - diejenigen, die Auseinandersetzungen angefacht, Anschuldigungen vorgebracht und mein Todesurteil unterzeichnet haben, werden an dem Tag meiner Rückkehr genau dies erneut tun. Mein Blutdruck ist auf 200 gestiegen, und die Ärzte waren nicht in der Lage, ihn mit Medikamenten zu senken. Ich habe mir überlegt, dass mein Leben unerträglich hart werden würde, wenn ich die gleichen Dinge noch einmal hören müsste. Ich habe eine logische Wahl getroffen und bin hier geblieben. Ich bin geblieben, obwohl ich mich damit über mich selbst hinweggesetzt habe. Ich bin geblieben und habe die Sehnsucht in meinem Herzen vergraben. Aber ich denke, das hat mich meinem Tod einen Schritt näher gebracht. Manche kennen keine Gnade. Sie schreiben unmögliche Dinge. Sie schreiben sie, obwohl sie genau wissen, dass sie Lügen verbreiten. Sie wurden von verschiedenen Kreisen unter Druck gesetzt. Einige von ihnen haben dem Gericht die Idee des Araf vorgebracht. D.h., weder Himmel noch Hölle - irgendetwas dazwischen [kein Freispruch erster Klasse, aber auch kein Schuldspruch]. Den Richtern wies ihr Gewissen jedoch die richtige Richtung. Es gab da eine künstliche Meinungsmache in der Türkei, und irgendwann kochte es über. Sie haben das berücksichtigt. Ich habe hier meine vereidigte Aussage vor einem amerikanischen Staatsanwalt gemacht. Das versichere ich. Dieser Staatsanwalt hat fast 100 Fragen zusammengetragen, die auf den Behauptungen basierten. Er hat nur darüber gelacht. Was für eine Art von Recht ist das, dass diese Dinge als Verbrechen gelten sollen?
Können Sie ein Beispiel geben?
Beispielsweise: „Sie haben gesagt, dass wenn man von jemandem verfolgt wird und seine Position in den staatlichen Institutionen behalten will, man sich damit arrangieren und seine Gefühle nicht offenbaren soll. Solche Behauptungen sind wirklichkeitsfremd. Auch Behauptungen, die die Organisation betreffen, wie z.B. die Übernahme der Führung. Der Staatsanwalt hat nur darüber gelacht. Hinzu kommt, dass ich zum ersten Mal mit so etwas konfrontiert war. Ich habe den Staatsanwalt nur ein einziges Mal getroffen.
Wir trafen uns am Haupteingang. Er hatte einen Übersetzer dabei. Er führte mich zu einem Sessel. Er reinigte seine Brille und brachte Wasser herbei. Wie ein Psychiater oder ein Psychologe, der die Gefühle eines Menschen durchleuchtet, wollte er meine Aussage aufnehmen, nachdem er mir Mut zugesprochen hatte. Dreimal verließ er den Raum und ließ mich nachdenken und mit meinen Anwälten sprechen. Er bestand auf ,Ja oder Nein'-Antworten. Ich wollte etwas hinzufügen, aber er hielt das für unnötig. Anschließend ging er. Ich sagte mir: „Wenn das Gerichtswesen so ist, dann wird Amerika noch lange fortbestehen."
Was sehen die amerikanischen Regierungsbeamten in Ihnen, einen Gast oder einen Flüchtling?
In den gesamten fünf Jahren bin ich keinem von ihnen begegnet. Als ich 1997 ankam, habe ich einige Leute getroffen, andere hatte ich bereits kennen gelernt, als sie die Türkei besuchten. Akademiker und Leiter von Expertenkommissionen habe ich getroffen, und Menschen, zu denen ich freundschaftliche Beziehungen pflegte. Doch ich habe mich nicht mit Amerikanern getroffen, weil ich nicht wollte, dass unser Volk [die Türken] da zu viel hinein interpretiert.
Was meinen Sie, würde man dem entnehmen?
Man hat behauptet, die Schulen würden von Amerika unterstützt. Es stimmt, dass ich das nicht abgestritten habe; denn egal, ob ich es abstreite oder nicht - man wird es auch weiterhin behaupten. Einige Machtzentren in der Türkei sehen alles in einem negativen Licht. Ich habe davon [von Treffen mit Amerikanern] Abstand genommen, weil diese Treffen [von bestimmten Kreisen in der Türkei] in negativer Art und Weise gedeutet worden wären. Konferenzen zu meinen Gunsten wurden abgehalten, und einige Leute haben daran teilgenommen. Z.B. Elisabeth Özdalga. Sie schlug mir vor: „Lassen Sie uns treffen", und ich sagte: „Nein." Oder Yasemin Congar, die ich schon länger kenne und deren Zeitung sehr insistierte. Aber ich habe auch sie nicht getroffen. Auch Asli Aydintasbas habe ich nicht getroffen, um andere nicht zu provozieren. Denn auch hier gab es einige, die sich offenbar provoziert fühlten.
Einige Leute behaupten: „Wenn Amerika ihn nicht unterstützen würde, wäre er nicht so lange dort geblieben."
Man betrachtet mich hier als religiösen Würdenträger. Als solcher genieße ich ein vorläufiges Bleiberecht. Ich verlängere meine Aufenthaltsgenehmigung Jahr für Jahr. Meinen Lebensunterhalt bestreite ich mit den Lizenzgebühren der Bücher. Es gibt hier Hunderte Menschen wie mich. Sie sind in unterschiedlichen Moscheen beschäftigt. Sie stehen nicht in Verbindung mit der Behörde für religiöse Angelegenheiten. Ich habe dem FBI-Beamten, der zur Überprüfung meiner Aufenthaltsgenehmigung vorbeikam, gesagt, dass ich Unterhaltungsgespräche zu geben pflege. Einige Leute waren vorbeigekommen, und ich hatte mit ihnen diskutiert.
Haben Sie das Gefühl, unter strenger Aufsicht der Amerikaner zu stehen?
Das kann schon sein. Wenn man sich anschaut, wie die Amerikaner über die islamische Welt und die Türken denken, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Ziele und Pläne sie verfolgen, dann muss man diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Sie sagen selbst, dass jeder hier überwacht oder kontrolliert wird. Aber sie waren mir gegenüber nicht respektlos. In einer anderen Angelegenheit, die mit meinen Schriften zu tun hatte, sagten sie respektvoll: „Lasst uns von ihm profitieren." Zu einer Befragung kamen zwei junge Männer vorbei, einer vom FBI und der andere vom State Department [Außenministerium].
Wann war das?
Vor zwei Monaten. In Malawi hatte es einige Zwischenfälle gegeben, an denen offenbar Türken beteiligt waren. Sie fragten mich: „Wissen Sie irgendetwas über sie?" Zudem waren vorher auch einige Freunde zu Besuch gekommen, die alle die gleiche Adresse angegeben hatten. Nach dem 11. September hatte das FBI ja einen Pool gegründet, in dem alle Informationen zusammenfließen.
Die, die hier waren, haben unterschiedliche Bewertungen vorgenommen. Als sie kamen, haben sie ein paar Fragen gestellt, um ,von seinen Gedanken zu profitieren'. Sie waren sehr nett. Als jemand, den ich kenne, davon erfuhr, sagte er: „Ich hoffe, sie waren nicht respektlos. Wenn doch, lass uns bei unseren Freunden beschweren." Die einzelnen Einheiten arbeiten hier unabhängig voneinander. Die Haupteinheit, der sie angeschlossen sind, weiß nichts von ihrem Vorgehen. Im Grunde genommen waren sie respektvoll. Sie kamen, um zu recherchieren, aber sie fragten mich [darüber hinaus] aufrichtig: „Was denken Sie, wie die Amerikaner im Irak handeln sollten? Welche Art Verwaltung wäre nach der Invasion ratsam?" Ich entgegnete ihnen: „Es gab eine Invasion. Egal wie Sie es nennen, für die Leute dort war es eine Invasion. Wenn Sie mich fragen, sollten Sie im Irak eine Demokratie aufbauen, die auf einer Linie mit der in der Türkei ist. Sorgen Sie dafür, dass sie [die Iraker] neidvoll auf die Türkei blicken. Seien Sie tolerant gegenüber den Muslimen, damit sie nicht nach Iran schauen." Ich glaube, dass die beiden diesen Gedanken auch ihren Vorgesetzten vortrugen. Ich denke, sie waren ehrlich. Es war nicht so, dass sie nichts von mir lernen wollten. Doch vor allem wollten sie wissen, wer ich bin, was ich tue, wie ich denke und was für Pläne ich habe. Ich bin aus dem Nahen Osten, und ich bin Türke. Aus diesem Grunde interessierten sie sich für meine Gedanken. Mir fiel bei ihnen eine andere Art von Toleranz auf als die, die wir bekunden. Mir fiel ihre Warmherzigkeit auf, ihr Respekt vor meinen Glaubensvorstellungen. Und doch bevorzuge ich mein eigenes Volk.
Sie freuen sich darüber [über eine so aufgeschlossene Haltung], gleichzeitig macht es Sie aber auch traurig, wenn Sie so etwas in der Türkei nicht sehen...
Ich habe diese Erfahrung hier in Krankenhäusern und ähnlichen Institutionen gemacht. Warum ist das in unserem Land [der Türkei] anders? Ich habe hier einen Nachbarn. Sein Name ist Richard. Er arbeitet im Stahlbauwesen. Einmal haben wir zusammen gegessen und ich sagte: „Amerika ist ein bedeutendes Land, es kontrolliert die Welt." Er erwiderte: „Mein Hodscha, was sagen Sie da? Ihr Land ist eine 3.000 Jahre alte Nation." Wenn mir so eine Haltung im Krankenhaus oder im Gericht begegnet, frage ich mich: „Mein Volk hat über einen so langen Zeitraum ein modernes Leben geführt. Warum zeigt es das heute nicht? Warum ist davon heute nichts mehr zu sehen?" Stattdessen begegnen wir Menschen, die ihr ganzes Kalkül auf Hass und Groll aufbauen, die sich leider permanent schlecht benehmen. Es gibt einige, die heute so handeln. Dann wiederum gibt es einige, die gewisse Pläne verfolgen.
Die schlimmen Tage des 28. Februars [1997] sind vorüber. Nach den Wahlen ist ein bisschen mehr Stabilität eingekehrt. Halten Sie die Stimmung immer noch für getrübt?
Es wurden Schritte in verschiedene Richtungen unternommen. Meine Informationen aus der Türkei stammen aus Radio oder Fernsehen. Vor kurzem hörte ich zufällig etwas von der TUSIAD [Vereinigung türkischer Industrieller und Geschäftsleute]. Rahmi Koc und Sakip Sabanci sprachen über die zunehmende Inflation, über die steigenden Reserven in Fremdwährungen und über das Wachstum. Sie waren der Meinung: „Die Türkei ist auf einem guten Weg." Wenn Wirtschaftskreise sagen, die Türkei entwickele sich zum Positiven, dann bedeutet das, dass sie sie sich tatsächlich zum Positiven entwickelt. All diese Leute stimmen überein, was die Lage betrifft. Der Wirtschaft geht es also gut; aber da ist noch ein weiterer Sektor - ,die Anderen'.
Ihr Missmut wächst von Tag zu Tag. Ihre Absichten haben sich vielleicht nicht verändert, dafür aber ihre Strategien. Es wäre denkbar, dass die Kontroversen anderer Art wären. Diejenigen, die ein Interesse daran haben, solche Kontroversen in Gang zu halten, würden sich auch an diesen anderen Kontroversen eifrig beteiligen. Die Türkei hat diese Dinge schon oft erlebt, und sie könnte sie erneut erleben. Haben Sie deshalb das Wort ,getrübt' gewählt? Die Farbe der Trübung verändert sich und auch ihre äußere Gestalt. Wenn die Dinge sich eintrüben, kommt es immer öfter zu Gewaltausbrüchen und Respektlosigkeiten. So war es zu unterschiedlichen Zeiten, das steht außer Frage. Sie [jene ,Anderen'] inszenieren Kontroversen, aber sie attackieren die Machthaber nicht. Sie sprechen über deren gute Seiten. Von Zeit zu Zeit erwähnen sie das religiös-reaktionäre Element. In einigen Kreisen nimmt die Brutalität immer weiter zu. Es gab Zeiten, da war ich der Empfänger dessen, was sie sagten und taten. Verzeihen Sie mir, aber meiner Meinung nach leben diese Leute in einem Stadium des Deliriums, in einem Stadium schweren Verfolgungswahns.
Aber welche Gründe stecken dahinter, wenn man doch bedenkt, dass ökonomische und politische Stabilität herrschen?
Ich kann da einige Gründe nennen, muss jedoch in der Zeit zurückgehen. Im Zuge der Ereignisse um den 28. Februar wurde ein Bericht veröffentlicht. Mir wurde zugetragen, wer diesen Bericht vorbereitet und freigegeben hatte. Dieser Bericht hatte vor allem mit mir zu tun. Es standen Dinge darin, die auch in der Anklageschrift standen. Eine Abteilung des Sicherheitsapparats hatte ihn vorbereitet. Am Ende dieses Berichts wurden zwei Seiten hinzugefügt. Sie enthielten eine Attacke auf Gott und eine Beleidigung unseres Propheten. Als ich diese Beleidigungen gegen Gott und den Propheten las, entspannte ich mich und beruhigte mich über all die Dinge, die dort über mich gesagt wurden. Ich dachte mir: „Mein Gott, wenn diese Leute, die so über meinen Propheten denken, auch mich verurteilen, dann sollte ich meine Position vor Gott wohl höher bewerten. Menschen, die Gott und den Propheten beschimpfen, werden logischerweise auch mich bekämpfen."
Entschuldigen Sie, ich erinnere mich nicht an diesen Bericht. Wer hat ihn an wen weitergegeben?
Eine Abteilung des Sicherheitsapparats hat ihn vorbereitet, und einige andere Beamte haben ein 2-seitiges Fazit angefügt. Unser Volk weiß, wer das war. Ich überlasse diesen Bericht aber der Geschichte. Er liegt sicher behütet an irgendeinem Ort und dient als ein Zeugnis, das die Menschen einer bestimmten Epoche und die Absichten jener Menschen, die das Schicksal der türkischen Nation bestimmen, dokumentiert.
Ich war nie unhöflich. Aber wenn es um Gott und den Propheten geht, ist es notwendig, Stellung zu beziehen. Wir müssen im Gedächtnis behalten, dass Menschen, die solche Dinge denken, niemals freundlich über uns denken werden. Menschen, die solche Urteile fällen, ändern ihre Meinung niemals. Je weiter ihre Zahl abnimmt, desto gereizter werden sie. Je mehr sie an Macht verlieren, desto mehr fantasieren sie. In der Zukunft werden sie neue Pläne aushecken. Ich denke daher, dass Menschen in meiner Lage in der Türkei immer der gleichen Behandlung ausgesetzt sein werden. Es gibt Leute, die nur darauf warten, dass ich sterbe, und die sogar versuchen, den Zeitpunkt meines Ablebens selbst zu bestimmen. So böse Menschen wie diese Leute in der Türkei sind mir sonst in der ganzen Welt nicht begegnet. In den USA heißt es: „Nominieren wir ihn doch für den Nobelpreis. Verleihen wir ihm doch einen Orden." Sie sprachen von Toleranz. Sie setzten mich auf die Liste von Freiwilligen für den Frieden bei den Konferenzen, die hier abgehalten wurden. Auch sie haben Augen und Ohren und bestimmte Maßstäbe. Sie sind feinfühliger, empfindsamer. In der Türkei gibt es immer noch Leute, die Gott und den Propheten hassen und in verschiedenen Bereichen Einfluss ausüben.
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