Wenn ein CIA-Agent im Auftrag des Vatikans das Kalifat errichten soll
Wer sind diese? Die selbsternannte Avantgarde der „Arbeiterklasse“, wobei kaum einer von ihnen einen Arbeiter aus der Nähe kennt, deren Denken und Kultur einen orientalistischen Charakter im Sinne Edward Saids haben und die trotzdem eifernd, fast schon mit Brachialgewalt versuchen, westlich zu sein. Man lernt sie als Intellektuelle, Bürokraten, Geschäftsleute, Medienvertreter und zum Teil auch als Politiker kennen. Sie tauchen immer noch allenthalben auf und werden uns wohl auch perspektivisch nicht vor ihren Belehrungen verschonen.
Sie sind, frei nach Hilmi Yavuz, „nicht die Westlichen, sondern die, die versuchen, westlich zu sein“. Eine Masse, welche die Gesellschaft, der sie zugehört, in der sie aufgewachsen ist und lebt, mit westlichen Augen betrachtet. In diesem Zusammenhang sind sie keine Westlichen, sondern – frei nach der Bezeichnung eines westlichen Menschen, der den Osten betrachtet – Orientalisten. Einheimische Orientalisten könnten wir sie nennen. Eine Masse, welche, wenn es um den Islam geht - auch wenn sie kaum Ahnung davon haben - nichts mit Religion oder Gläubigen zu tun haben wollen und einen Abstand dazwischen halten, der unmöglich zu schließen ist. Sakallı Celal hat auch dafür einen passenden Spruch gefunden: „Menschen, welche auf dem Deck des in Richtung Osten navigierenden Schiffes namens Türkei in Richtung Westen rennen und denken, sie würden somit alles verwestlichen.“
Verleumdungen, Anschuldigungen, Lügen
Wir wollen zwar dieses Thema nicht personifizieren, doch jede nähere Analyse führt uns vor Augen, dass diese Individuen aus Fleisch und Blut hinter diesen Diffamierungen stecken – und somit erreicht alles früher oder später unvermeidlich eine persönliche Ebene. Vor allem Fethullah Gülen und die freiwillige Bildungsbewegung, deren intellektueller Mentor er ist, ist seit Jahr und Tag Ziel einer beispiellosen Hetzkampagne, die von Anschuldigungen geprägt ist, welche auch durch die steigende Häufigkeit und Lautstärke, in denen sie vorgebracht werden, nichts an Substanz gewinnen. Natürlich ist es jedermanns Recht, ja sogar Aufgabe, Gülen, die seinen Gedanken verpflichtete Hizmet-Bewegung oder die Personen und Institutionen, die ihn innerhalb der Bewegung vertreten, zu kritisieren. Aber wenn die Kritik statt konstruktiv nur bewusst destruktiv ist und nur noch aus Verleumdungen, Anschuldigungen und Lügen verwandelt besteht, ist es nicht mehr möglich, an den guten Glauben und die Aufrichtigkeit der Kritiker zu glauben.
Die erwähnte Jagdgesellschaft verfasst Studien auf der Basis der Annahme, die Erde wäre eine Scheibe und sucht sich fieberhaft und willkürlich all das heraus, was sich auch nur im Entferntesten eignen könnte, ihre dogmatischen Aussagen im In- und Ausland als gesicherte Erkenntnis zu verkaufen. Spätestens seit der Gründung der „Vereinigung der Journalisten und Schriftsteller“ im Jahre 1994 haben selbsternannte „Intellektuelle“ Gülen und die Hizmet-Bewegung als Feindbild für sich entdeckt.
Doğan Koç hat sich die Mühe gemacht, im Rahmen seines Buchprojekts „Strategic Defamation of Fethullah Gülen: English vs. Turkish“ zu untersuchen, wie die Diffamierungskampagne gegen den Gelehrten nach Zielgruppen und geografischen Regionen diversifiziert von Statten geht und es einen wesentlichen Unterschied macht, welche Sprache dafür benutzt wird.
Koç hat etwa 450 Bücher, Artikel, Zeitungen und Internetnachrichten auf Englisch und Türkisch untersucht und daraus eine Datenbank entwickelt. Danach hat er mithilfe dieser Datenbank Vergleichsstudien erstellt. Das Ergebnis: Je nach Sprache, in der der die Veröffentlichung gehalten ist und je nach Publikation und Land des Erscheinens ist Gülen wahlweise ein CIA-Agent; eine Vatikan-Marionette oder ein geheimer Kardinal des Papstes; ein Krypto-Jude; ein trojanisches Pferd des Islam; ein moderater Pro-Islamist; ein amerikanischer Khomeini; ein Fundamentalist, der den säkularen Staat stürzen und stattdessen einen islamischen Staat gründen wird; einer, der nur auf die Auferstehung des Neuen Osmanischen Reiches und Kalifats wartet; der türkische Vertreter des großen USA-Projektes vom Mittleren Osten oder ein Ultranationalist, welcher zionistische Kontakte und eine versteckte Agenda hat...
Nun wird man selbst mit größter Fantasie nicht schlüssig begründen können, wie jemand gleichzeitig ein Pro-Scharia-Islamist und ein geheimer Kardinal, ein Nationalist doch ebenso ein Agent sein kann. Es ist möglich, je nach Zielgruppe und Sprache der Publikation vorherzusagen, wie die Argumentation von Statten gehen wird. Zum Beispiel wird Gülen im Rahmen der türkischsprachigen Diffamierungskampagne eher mit Beschreibungen wie „amerikanischer/CIA-Agent“, „geheimer Kardinal“, „Zionistendiener“ bedacht werden. In den englischsprachigen oder deutschen Publikationen wird er hingegen zum größten Teil als „radikaler Islamist“, „zweiter Khomeini“ oder jemand, der versucht, das Osmanische Reich und Kalifat wieder zu beleben, dargestellt werden. Der Grundsatz ist in jedem Fall „Irgendetwas wird schon hängen bleiben“…
Das Timing der Diffamierungen
In seinen Studien unterstreicht Doğan Koç auch noch wesentliche andere Elemente. Das Erste davon ist das Timing der Diffamierungen. Er macht unter anderem auf die steigende Häufigkeit und Intensität der Hetzkampagnen gegen Gülen seit Beginn des Ergenekon-Prozesses aufmerksam. Das andere ist, dass es im Wesentlichen immer die gleichen Personen, Publikationen und die ihnen zuzuordnenden politischen Lager sind, die jeweils auch die gleichen Taktiken anwenden.
Ich bin davon überzeugt, dass das Buch, welches von der University Press of America veröffentlicht wurde, helfen wird, eine objektive Bewertung Fethullah Gülens und seiner Bewegung, aber auch seiner Kritiker zu gewinnen und dass es für Menschen aus allen Gesellschaftsschichten sehr nützlich sein wird. Ich habe gehört, dass auch die türkische Übersetzung vervollständigt werden soll.
Zweifellos ist das Buch insbesondere für Leser, welche die Ereignisse aus einer anderen Perspektive heraus betrachten möchten, ein gutes Werk. Ich bin davon überzeugt, dass vor allem diejenigen in der Türkei, welche ihr Leben lang nichts anderes als die leeren und ergebnislosen Bemühungen der sich täglich, sogar mehrfach täglich verändernden Agenda miterleben mussten, es sehr nötig haben.
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