Dankeschön, AABF!
Fast alle Religionen tun sich schwer mit Seitenwechslern. Im Islam gilt der Grundsatz „Kein Zwang in der Religion”. Dennoch gibt es Debatten über die Apostasie, wie zuletzt im Fall eines missverständlichen Zitates von Fethullah Gülen.
In der Medienwelt gilt ein Grundsatz: Es gibt keine schlechte Werbung. Auch wenn dieser Grundsatz nicht immer gültig ist, trifft es im Falle der heutigen Veranstaltung über die Hizmet-Bewegung in Düsseldorf zu. Hausherr ist die AABF.
In Deutschland gibt es gute Entwicklungen: Zivile, von türkischen Migranten geführte Organisationen sind zunehmend bemüht, gemeinsame Ziele zu definieren, anstatt einander im Konkurrenzkampf auf die Füße zu treten oder sich gegenseitig zu übertrumpfen. Die Initiative „Geh wählen!“, die sich zum Ziel gesetzt hatte, türkischstämmige Wähler zum Urnengang bei den Bundestagswahlen am 22. September 2013 zu motivieren, ist ein gutes Beispiel hierfür. Eines, das sicher lange in Erinnerung bleiben wird.
Ein aktuelles Beispiel für eine „gute“ Zusammenarbeit zwischen Migrantenverbänden gesellt sich am heutigen Donnerstag hinzu. Aber diesmal ist es etwas anders. Hat es in Deutschland je eine Veranstaltung gegeben, bei der ein deutsch-türkischer Migrantenverband einen anderen, in diesem Fall die Hizmet-Bewegung, ohne dessen Beteiligung öffentlich zur Diskussion gestellt hat? Obwohl ich die türkische Community sehr gut kenne, kann ich mich nicht daran erinnern.
Die AABF (Alevitische Gemeinde Deutschland e.V.) wird als erste in dieser Angelegenheit aktiv. Unter der Regie der AABF und der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend findet eine Veranstaltung zur Hizmet-Bewegung statt. Weiterer Mitwirkender ist der Landesverband der TGD (Türkische Gemeinde in Deutschland e.V.) Nordrhein-Westfalen, dessen Vorsitzender Kenan Kolat ist. Eigentlich lässt er keine Gelegenheit aus, sich gegen Ausgrenzung und Vorurteile gegenüber Muslimen und Türken auszusprechen. Doch anscheindend nimmt der TGD-Vorstizende seine eigenen Maßstäbe nicht sehr ernst. Wieso sollte er ansonsten an der Stigmatisierung einer Bewegung, die ihren Ursprung in der Türkei hat, mitwirken?
Nach eigenen Angaben hat die AABF 285 000 Mitglieder in Deutschland. So wird es in der Liste, die vom Bundestag über Interessenverbände veröffentlicht wird, angegeben. Wenn alle Mitlieder auch noch Beiträge zahlen sollten - wovon ich ausgehe - dann hat man natürlich reichlich finanzielle Mittel, um sich nicht nur der eigenen Verbandsarbeit zu widmen, sondern auch „Werbung“ für andere Akteure zu betreiben. Wie altruistisch die Alevitische Gemeinde Deutschland doch ist!
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Der Titel der Veranstaltung, zu dem selbsternannte Hizmet-Experten eingeladen sind, lautet „Dialog, Bildung und Religion in der Demokratie“. Die Journalistin Claudia Dantschke und der evangelische Theologe Friedmann Eißler werden laut Programm über die Hizmet-Bewegung, ihre Organisationsstruktur, Ziele, Aktivitäten, Motivation und Strategie referieren. Ein weiterer Referent ist Dr. Kemal Bozay aus Bochum.
Wird man wohl der Frage nachgehen, was die AABF aus der Arbeitsweise der Hizmet-Bewegung lernen kann? Oder wie es der Bewegung gelingt, Muslime, Christen, Agnostiker, Türken, Deutsche, Kurden, Aleviten und Sunniten in die konkrete Projektarbeit miteinzubeziehen? Wird man sich fragen, wie es der Bewegung gelingt, in über 150 Ländern der Welt erfolgreiche Bildungsarbeit zu leisten? Egal ob in der Türkei, in Deutschland, auf dem Balkan, in Afrika oder den USA?
Wird der zivile Islam ein Thema sein? Werden die historischen Stützen der Bewegung, wie etwa der Mystiker Rumi, der seine Werke auf Persisch verfasste, oder eines der wichtigsten muslimischen Gelehrten der Gegenwart, Said Nursi, der, obwohl er kurdischen Ursprungs war, seine Werke in türkischer Sprache festgehalten hat, zur Sprache kommen?
Das Interesse der AABF an der Hizmet-Bewegung ist nicht auf dieses Seminar beschränkt. Wenn im Fernsehen ein hizmetkritischer Beitrag ausgestrahlt wird, ruft er dazu auf – und dies tut er freundlicherweise, ohne ein Honorar zu verlangen – sich die Sendung zu Gemüte zu führen. Ein kürzliches Beispiel hierfür ist der WDR-Dokumentationsfilm „Die stille Armee des Imams“, der im Frühjahr 2013 ausgestrahlt wurde.
Wie heißt es doch in einem der wichtigsten Grundsätze der Medienwelt: Es gibt keine schlechte Werbung. Solange Menschen über etwas sprechen, egal ob positiv oder negativ, wird es bekannter, interessanter und damit attraktiver für andere. Auch wenn dieser Grundsatz nicht immer gültig ist, so trifft er im Falle der AABF-Veranstaltung über die Hizmet-Bewegung zu. Dankeschön, AABF!
Keine Antwort auf Fragen
Während meiner Recherche zu dem Thema habe ich selbstverständlich versucht, mit der AABF ins Gespräch zu kommen. Ich habe dem alevitischen Verband Fragen zugeschickt, mit der Bitte um Antworten. Einige dieser Fragen waren: „Warum macht sich Ihr Verband so viel Mühe, ihm nicht genehme Personen und Bewegungen zu diskreditieren und Unwahrheiten über sie zu verbreiten? Warum stigmatisiert er sie? Anstatt die eigene Verbandsarbeit der Öffentlichkeit vorzustellen, ist er damit beschäftigt, sich mit der Arbeit von anderen Bewegungen zu befassen.Wieso? Ihr Verband existiert nun schon seit über 30 Jahren. Welche Aktivitäten, eigene Verdienste um die Aleviten und für die deutsche Gesellschaft als Ganzes kann er vorlegen?“
Eine Antwort habe ich bis heute nicht erhalten.
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